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Mit dem Rad zu adeligen Gütern des Harlingerlandes

Nachdem vor 3 Wochen die Fahrradtour des Kulturvereins guten Widerhall fand, fand jetzt die Wiederholung in diesen corona-geprägten Zeiten stand. Nachdem die Anmeldeliste zunächst nicht so gut aussah, konnte man schließlich mit einem Dutzend von interessierten Menschen die Fahrt antreten. Unter der Leitung von Heiko Habben ging es dieses Mal Richtung Osten. Auf dem Weg lag da die Burg in Edenserloog, über die Kulturvereins-Vorsitzender Rainer Hinrichs Interessantes zu berichten wusste: Von der Häuptlingszeit des 14. Jahrhunderts über die Zeit des 30-jährigen Krieges (Werdumer Schinken) bis hin zur Neuzeit (Insterburg & Co. in den 1970er Jahren) und den aktuellen Bewohnern wusste er allerhand zu erzählen.

Erste Haltestelle war an der Burg Edenserloog
Erste Haltestelle war an der Burg Edenserloog

Weiter ging es einige Kilometer durch die weite ostfriesische Marschenlandschaft nach Fürstinnen Grashaus kurz vor Carolinensiel. Diese Hofstelle, in seiner Entstehungszeit um 1730 zunächst ein Geschenk des ostfriesischen Fürsten an seine Frau Sophie Caroline (daher der Name Fürstinnengrashaus!) zeugt zudem von der jungen Geschichte des gesamten Landstriches: Grashäuser wurden nämlich in der Regel in die eingedeichte Landschaft gebaut, um das hier weidende Vieh und die Erntevorräte standortnah unterbringen zu können. Als Pächter und spätere Eigentümer fungierte durchgehend die Familie Behrends. Einige Jahrzehnte lang –bis zur Errichtung der Deichkirche in Carolinensiel 1776 fanden hier zudem die wöchentlichen Gottesdienste statt.

Dann ging es durch den Ort Carolinensiel auf einem alten Deich entlang zu dem Hof Hespenhausen. Dieser ist im Zuge der umliegenden Eindeichungsmassnahmen 1679 und 1698 im Jahr 1702 entstanden. Er gehörte dem damaligen Kanzleirat in Esens Wilhelm von Heespen (daher auch hier der Name) und diente quasi als Kapitalanlage. Auf diesem ca. 50 ha großen Hof sind immer Pächter tätig gewesen, bevor er im 20. Jahrhundert verkauft wurde. Zwischenzeitlich gehörte er auch einer Bordellbesitzerin aus dem Ruhrgebiet, bevor er vor einigen Jahren an eine Familie verkauft wurde, die Stück für Stück das Gelände wieder herrichtet.

Über alte Deichlinien entlang der Kreisgrenze ging es nach Pfahldeich, wo ein Grenzstein liegt, an dem im Jahr 1666 die damaligen Länder Ostfriesland und Oldenburg die weitere Aufteilung des einzudeichendem Meeresbodens festgelegt haben. Schnurgerade wurde auf einer Karte mit einem goldenen Stift die zukünftige Grenze festgelegt. Deshalb heißt diese Grenze auch Goldene Linie.

Weiter ging es sinnbildlich durch die Jahrhunderte des Deichbaus zurück ins 15. Jahrhundert zum ehemaligen Gut Stempelgrode, welches in der Anfangszeit der Eindeichungsmaßnahmen der Harlebucht entstand. Es befand sich in der Nähe der Flurstücke Pott und Rosental und damit im Berdumer Altengroden und ist nicht mehr existent. Seinen Namen hat es von einer Familie Stempel aus Esens, die hier im 17. Jahrhundert ansässig war. Groden ist dabei das neu gewonnene Land zwischen den Deichen.

Auf dem Weg zur Kaffeepause, die mitten im Ort Berdum eingenommen wurde, fuhr die Gesellschaft zu einem Haus Berdum genannten Hof, etwas außerhalb des Dorfes gelegen. Hier lässt sich die Geschichte bis in das Jahr 1418 und der Familie von Bassen zurück verfolgen, die hier bis in das Jahr 1523 ansässig war. Danach kam es in den Besitz der Familie von Bothmar, die es einige Generationen bewirtschaftete. Um 1715 kam es durch eine Frau von Oldenburg in den Besitz des oben genannten Wilhelm von Heespen in Esens und durch deren kinderlos gebliebene Tochter Adelheid Auguste in die 1758 gegründete und heute noch bestehende „Wangelinsche Witwenstiftung“. Durch diese aus mehreren Höfen im Harlingerland bestehende Stiftung sollten anfangs mittellose Witwen aus den Familien von Heespen, Tammena, Wangelin und Oldenburg unterstützt werden und danach mittellose Witwen im Allgemeinen.

Nach der Kaffeepause ging es über teilweise schwer passierbare Wege zum Gut Altwerdumer Grashaus, an der östlichen Werdumer Gemeindegrenze gelegen. Dieses Gut hat eine Geschichte, die ihren Anfang nimmt in einer Erbauseinandersetzung, die 600 Jahre zurück liegt. Etwa einen halben Kilometer weiter westlich auf dem halben Weg zum Gut Neuwerdumer Grashaus im erst zuvor neu eingedeichten Land entstand das Steinhaus Sieboldsburg, die vom weichenden Erben der Burg in Werdum Siebold errichtet wurde. Die Zwistigkeiten waren so intensiv, dass nach seinem Tod die Burg nicht an die nächsten Erben in Werdum ging, sondern an den Drosten von Esens, so dass die Besitzung in staatlichen Besitz überging und damit Domäne wurde. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Haus baufällig, und man baute das heute Altwerdumer Grashaus genannte Gebäude (1670). Da es allein zu groß war (etwa 130 ha) teilte man es, und es entstand ein halbes Jahrhundert später die Neuwerdumer Grashaus genannte Besitzung. Heute sitzt hier seit 1931 die Familie Ulfers, die bis 1998 das alte Gemäuer stilvoll wieder hergerichtet hat. Danach ging es dann zurück nach Werdum, wo die Radtour beendet wurde.

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